Norwegen diagonal - Dieter Wolf durchquert Norwegen zu Fuss
Gletscher-Kirschblüte und zurück
Dieter Wolf, 6. Juni 2015
Die Gegensaetze bezueglich Landschaft und Klima sind extrem hier im suedlichen Mittelnorwegen im Fruehling. Ein Abstecher auf meiner 1500km weiten Velofahrt von Mo nach Lom liess mich dies hautnah erleben. Schob ich mein Velo am einen Tag noch zwischen 2m hohen Schneewaenden auf der Schotterpiste das einsame Grimsdalen hoch, so waren anderntags die bluehenden Kirsch- und Kastanienbaeume am Fjord unten in Andalsnes eine Augenweide fuer mich. Die pittoreske 100km-Bahnfahrt das Romsdalen hinunter bot alles, was ein Touristenherz hoeher schlagen laesst. Von Dombas auf 700m fuehrt die Strecke, mit Kehrtunnels wie auf der Albulalinie, auf Meereshoehe hinunter. Das liebliche Hochtal, seit Menschengedenken intensiv bewirtschaftet mit Feldern und Weiden, wird gegen das Meer hinunter immer enger, die Berge beidseits immer hoeher. Die bei Extremkletterern beruechtigte Trollwand von 1700m Hoehe sei mit der Eigernordwand vergleichbar, und das 1555m hohe Romsdalshorn nimmt es mit seiner kuehnen Gipfelgestalt fast mit unserem Matterhorn auf. Der Atlantik begruesste mich mit stroemendem Regen, aber als dieser um 4 Uhr morgens aufhoerte, stieg ich schnell den schoensten Wanderweg Norwegens hoch: Die von Sherpas in ihrer Technik erbaute Steintreppe "Romsdalstrappan" fuehrt auf steiler Wald- und Felsrippe zu einer Aussichtsplattform auf 700m hinauf, der Blick ist wahrlich atemberaubend. Kein Wunder wird der Weg von gegen 50000 Wanderern jaehrlich begangen!
Wiedersehen mit Emil Inauen
Er selber nennt die schier endlosen Wildnisgebiete um Folldal herum den "wilden Westen" Norwegens. Hier hat er Auslauf fuer seine langen Touren mit Schlittenhunden, jetzt ohne Schnee schon mit dem leichten Wagen. Die besten Musher der Welt kommen von weit her, um sich ihre Rennschlitten von Emil massanfertigen zu lassen. Er war ja von 1998 bis 2009 im Dischma wohnhaft und realisierte sowohl "Transgrischa" - mit Hundeschlitten vom Muenstertal zum Oberalp - wie auch zusammen mit Walter von Ballmoos "Graubuenden 3000" - die Besteigung aller Buendner 3000er in wenig mehr als einem Jahr. Offen mit Nachbarn und Freunden umgehen hat ihn und Barbara - sie arbeitet im regionalen Gesundheitsdienst - mit den drei schulpflichtigen Kindern eine rasche Integration erlaubt, auch weil alle bald fliessend Norwegisch konnten. Fuer mich eine sehr schoene Begegnung mit Emil, im angeregten Gespraech erfuhr ich viel zum Vergleich des Lebens und der Gesellschaft in der Schweiz und in Norwegen. Nur schade, musste Emil seine Jungen zum Fussballspielen fahren - seine Tochter profitiert vom norwegischen Boom im Frauenfussball - sonst waere wohl eine Husky-Ausfahrt dringelegen.
Goldenes Moos
Meine lieben Gastgeber im LØkken-Fjellgard, die aus Deutschland und Iran stammenden Anja und Mehran, empfahlen mir als Weiterweg nach Westen das abgelegene Grimsdalen. Zwei Tage lang begegnete ich nur Elchen, Vielfrass und Rentieren, der letzte Eintrag im Huettenbuch der DNT-Huette nach den ersten 25km gegen den Wind stammte vom Maerz. Am Weg, noch unten in den offenen Foehrenwaeldern, faszinierte mich das Phaenomen des "goldenen Mooses", das sich wie ein Teppich unter den Baeumen ausbreitet. So ausgedehnt kommt es sonst kaum vor, aber hier war auch das Laufen abgefedert, wie ich beim Sammeln der Tur-O-Posten (analog "Postennetz Davos") erfreut feststellen konnte.
Die letzten Veloetappen fuehrten mich durchs Gudbrandsdalen und ueber Vogomo nach Lom am Nordfuss des hoechsten Gebirges Norwegens, Jotunheimen. Von hier an geht meine Reise endlich zu Fuss weiter, selbst wenn auch hier fuer die Jahreszeit noch viel Schnee oberhalb von 1300m liegt. Der Kauf der dafuer notwendigen Schneeschuhe war urspruenglich ebenso wenig geplant wie jener des Velos am Ende der Ski-Etappen. So bleibe ich flexibel - eine wichtige Eigenschaft auf so einer Reise in meinem Alter.