Norwegen diagonal - Dieter Wolf durchquert Norwegen zu Fuss
Vom Sarek zum Polarkreis
Dieter Wolf, 4. Mai 2015
So schwer war die Pulka noch nie - mit Essen fuer 12 Tage - wie beim Start zur Durchquerung der aneinander anschliessenden Nationalparks Stora Sjøfallet, Sarek und Padjelanta. Sie bilden das groesste Wildnisgebiet Nordeuropas und sind unter dem Namen Laponia seit 20 Jahren ein Unesco Weltnaturerbe. Einmal mehr haben wir mit gutem Wetter, meist gut belaufbarer Schneeoberflaeche und unserer Ausdauer Glueck und schaffen die 150 km an 6 Wandertagen mit nur einem Ruhetag wegen Schneesturms in der Mitte, wo wir aber in der gemuetlichen Tuottarhuette bestens untergebracht waren. An einigen Tagen kommen wir so gut voran, dass wir nicht nur eine, sondern zwei oder sogar 3 Huetten an der Route ueberspringen. Dann sind wir aber bis zu 14 Stunden unterwegs, bei Prachtswetter voll motiviert.
Muetze verloren, aber ...
Wo genau die Muetze aus der Jackentasche gerutscht ist, koennen wir nicht mehr sagen - sie ist weg, also wird Ersatz hervorgeholt. Da kommt uns ein Jaeger und Rentierzuechter auf dem Schneemobil entgegen und haelt bei uns. Der Sami mit dem wind- und wettergegerbten Gesicht fragt, wo wir hinwollen. Nach Sulitjelma. So. Und wo kommt ihr her? Aus der Schweiz. So. Da drueben seht ihr drei Elche. Diesen Winter hat es viel Schnee hier. God tur videre! und verschwindet in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Eine Viertelstunde spaeter wieder Motorengeraeusch: Unser Sami kehrt zurueck - und wirft uns die verloren geglaubte Muetze vor die Fuesse, bevor er endgueltig wendet. Wir koennen nur noch "tusen takk" rufen und staunen.
Sarek ist, wenn ...
- der letzte Birkenbusch weitherum der einzige Windschatten ist
- die Spur mit Schuhgroesse 96 vom Elch stammt
- wir auf 800 m durch Taeler mit 2000ern links und rechts wandern
- Res bei -17 Grad die Hand an der Huettentuerfalle anfriert
"Kameraaaden, Kameraaaden..." am 1. Mai
In Sulitjelma kommen wir von den Bergen fast auf Meereshoehe herunter, 40 km im Landesinnern - so tief sind die Taeler von den Gletschern ausgehobelt worden. In der ehemaligen Bergarbeiterstadt wird der Tag der Arbeit im Samfundshus begangen, die meisten der noch 600 (von einmal 4000!) Einwohnern kommen im grossen Saal zusammen bei Kuchen und Kaffee. Nach dem Umzug mit der 20koepfigen Blasmusik an der Spitze folgen die leidenschaftlichen Plaedoyers fuer Erhaltung der Arbeitsplaetze, Sozialleistungen und Schulen, dazwischen singen wir die Internationale kraeftig mit. Schoen habt ihr gesungen gestern, lobt mich die pensionierte Bulldozerfahrerin Randi tags darauf im Dorfladen.
10 km schnurgerade ueber den Bal-See
Am 2. Mai herrscht eifriger Skibetrieb am Lifthang, waehrend wir unsere wieder schwere Pulka die Huegel hochpowern. Einmal mehr werden wir in der Coar`vi-Huette mit Weitblick auf matterhornaehnliche Bergzacken und feinstem Huettenkonfort samt bestem Holzofen bisher belohnt. Bald nach dem Aufbruch um 6 Uhr in strahlendem Sonnenschein ohne Windhauch gleiten wir auf die Seeflaeche des Balsvatnet hinaus, dessen Dimension einfach nicht abzuschaetzen ist. Als wir nach 2 Stunden fadengeradem Spuren noch immer nicht am andern Ende sind, spueren wir die Distanz. Ein gewaltiges U-Tal fuehrt uns suedwaerts, wird unten immer enger, bis wir - der Langlaufspur eines offenbar Ortskundigen folgend - in der Schlucht nur noch auf knapp meterbreiten Schneeraendern ueber oft offenem Wasser balancieren. Aber wir schaffen den Ausstieg aus dem Canyon zur wiederum heimeligen Trygvebu-Huette hinauf. Gestern dann die letzte gemeinsame Etappe, nochmals ueber einen 400 m ueber das Tal hochragenden Bergruecken und durch ein felsdurchsetztes Huegel-. Wald- und Seengelaende bis zum historischen Polarkreishotel aus den 50er-Jahren. Hier feiern wir nicht nur die ersten 1000 km von "Norge diagonal`15", sondern auch unser gelungenes Teamwork in Freundschaft, bevor Res von Bodø heimfliegt.