Norwegen diagonal - Dieter Wolf durchquert Norwegen zu Fuss

Allein gegen die Elemente

Dieter Wolf, 12. Mai 2015

Seit dem 6. Mai bin ich allein unterwegs - mein Teampartner vom Nordkap bis zum Polarkreis ist nach Hause geflogen. Und ich habe hier in der Kapitale des "Kantons" (Fylke) Nordland, Mo i Rana, mein Wintermaterial südwärts geschickt und wechsle auf "Sommer". Dieser jedoch scheint noch weit entfernt, nur zaghaft blühen hier am Ranafjord die ersten Schlüsselblumen und singen die Voegel den Frühling herbei. Weil auf den nächsten 450 km die wenigen Wanderwege oberhalb von 300 m noch mit zu viel Schnee bedeckt sind und also - ohne Skis - nur die Strasse bleibt, habe ich mich für den Abschnitt bis Trondheim entschlossen, mit dem Velo weiterzureisen. Nochmals eine neue Fortbewegungsart, aber mit Tücken. Einen Tag brauchte ich nur, bis mein Bike mit stabilem Gepäckträger usw richtig ausgerüstet war, und ich selber mit Velohose, Helm und Leuchtweste ...

Rauer Winter-Frühlings-Übergang

Sturmwind mit Boeen bis 100 km/h, heftiger Regen, oberhalb von 600 m veritabler Schneesturm mit null Sicht, dazu immer mehr Oberflächenwasser auf den bisher gefrorenen Flüssen, Seen und Sümpfen - die letzten Ski-Etappen forderten mich hart, zumal ich keine Assistenz mehr hatte, wenn mal am Schräghang die Pulka kippte. Nochmals der Komfort der wunderbar eingerichteten Hütten des DNT Touristenverbandes, jedesmal die Erleichterung, wenn mein Schlüssel das grosse Messingschloss geoeffnet hat, dann die mir lieb gewordene Routine von Holzsägen und -hacken, Einfeuern, Schnee schmelzen, Kochen, Wärme und Windschutz geniessen. Klingende Namen in den Ohren des Fjellvolks hier: Lönsdal-Bolan-Virvass-Kvitsteindaltunet-Sauvall-Umbukta-Kjennvass-Gråfjell (auf 1006 m die höchstgelegene Hyttte in diesem Teil Norwegens) und 800 Höhenmeter letzte Abfahrt ins Inderdalen.

Mit 1916 m über mir am Schluss der mächtige Oxtind, ein vergletschertes Massiv von 150 km2 Oberfläche - ein würdiger Winterabschluss.

Gute Geister am Weg

Randi und Bodil aus Mo, zwei fitte 60jährige Frauen aus Mo, treffe ich beim mageren Lunch in der Sauvasshytta. Wir kommen rasch ins Gespräch, Sveits und Davos für sie Zauberworte. Wir fahren zusammen die weiten Hänge nach Umbukta an der Schwedenstrasse hinunter - und sie koennen mich samt Pulka uns Skis auf den Rücksitz laden und in ihre Stadt mitnehmen. Hier im altehrwürdigen Meyersgården-Hotel lässt mich der Direktor an seinem Schreibtisch diesen Bericht schreiben, und ich konnte zwei Tage richtig ausruhen, samt Velokauf. Als ich mein 25kg-Paket Pulka, Ski und Schuhe im Gang vor der Hauptpost schürte, kam die junge Maj vom Parfumshop zu mir, fragte nach meiner seltsamen Aktivität hier und offerierte mir selber gebackene Schoggicookies - ich brauche doch Zucker auf meinem langen Weg. Der junge Vidar im Bikeshop XXL montierte alle meine Spezialwünsche an mein Velo, beriet mich kompetent und freute sich, auf diese Weise einen kleinen Beitrag zum Gelingen meiner Tour leisten zu koennen. Ich tausche mit solch guten Geistern immer die Adressen aus - wer weiss, wann sie Davos besuchen?!